EIN SCHÖNER TAG ZUM STERBEN – HEIKE GROOS

Feedback für Heike Groos – Ein schöner Tag zum Sterben (2009) + Das ist auch euer Krieg (2011)

 

Eckdaten zu Heike Groos:

  • (* 03.08.1960 † 11.12.2017)
  • Mutter von fünf Kindern
  • diente schon als Ärztin in einem Bundeswehrkrankenhaus vor 9/11
  • startete mit einer Assistenzarztstelle in der Anästhesie, später Notärztin im Rettungsdienst
  • Nach den Anschlägen von 9/11 wurde sie wieder von der Bundeswehr geworben und mehrfach nach Afghanistan geschickt
  • insgesamt verbrachte sie 2 Jahre in diesem Land in verschiedenen Kontingenten als Oberstabsärztin
  • insgesamt 5 Bücher veröffentlicht

 

Ihr erstes Buch – Ein schöner Tag zum Sterben ist eins der ersten Bücher über die deutsche Beteiligung in Afghanistan von Bundeswehrsoldaten, die wir haben. Zuvor kam meines Wissens nach nur Endstation Kabul: Als deutscher Soldat in Afghanistan – 10. Januar 2008 von Achim Wohlgethan. Insofern muss man das verstehen und auch honorieren, dass diese Bücher Pionierarbeit leisten mussten. Ähnlich wie es bei Vier Tage im November von Johannes Clair der Fall war. 

Ich finde das Buch von Heike Groos sehr persönlich, emotional und bewegend geschrieben. Als Leser kann man sich in viele Momente hineinversetzen. Das ist de facto schonmal ein gutes Zeichen. Ihr biografischer Anteil ist recht kurz gehalten worden, was ich auch vollkommen ok finde. Der Text liest sich leicht von der Hand und ist regelrecht fesselnd an vielen Stellen. Sie springt zwar zwischen den Kapiteln zwischen Deutschland, Afghanistan und Neuseeland, doch damit komme ich klar. Das Kabul, Feyzabad und Kunduz von damals sind mit Sicherheit ein anderes als das 2010 (wo die heiße Phase losging) und das von heute. Auch die Politik und die Berichterstattung haben sich im Laufe der Jahre geändert. Mit Sicherheit gab es in ihrer Zeit noch weitaus weniger strukturelle Abläufe und Annehmlichkeiten als kurz vor Schluss, doch dafür ist man Soldat. Was ich weiterhin gut finde, ist, dass sie sich für eine bessere Nachsorge stark macht. Doch auch hier muss man sagen, ist vieles passiert innerhalb der letzten Dekade+.

Der Ton im Buch wird fortlaufend anklagender und es werden Schuldige gesucht. Bei sich selbst fängt sie kaum an. Was mich schon immer gestört hat und mir bis heute auf die nerven geht, ist wenn Menschen die Uniform anziehen und so tun als ob es ja nur ein Job oder eine Nebenbeschäftigung ist oder wie in ihrem Fall: “Dass ich dadurch, ganz nebenbei, Soldat geworden war, hatte ich kaum bemerkt.” – (Zitat S.9). Wenn man etwas Besonderes möchte, muss man auch immer bereit sein, den Preis dafür zu zahlen. Ein besseres Gehalt / Sold als in der zivilen Laufbahn, freie Heilfürsorge und Pensionsansprüche kommen mit einem Preis. Das ist das reale Leben. Doch wenn man versucht 5 Kinder von 3 verschiedenen Männern mit der Rolle als Mutter, Ärztin und Kompaniechefin zu vereinbaren, muss man sich nicht wundern, wenn es nicht nach Plan läuft. Fast schon ironisch, dass häufig Akademikerinnen auf sowas reinfallen. Gleichzeitig wurde selten die Gelegenheit ausgelassen, auf die akademische Ausbildung hinzuweisen – Hochmut kommt häufig vor dem Fall.

So nimmt das Buch seinen Lauf und der Eindruck von Selbstdarstellung festigt sich. Zumal auch immer die anderen Schuld sind. Kein Wunder, dass ihre Ex Partner wenig gut bei wegkommen. 

Was für mich gar nicht mehr geht, ist der Umgang mit Alkohol im Dienst (“Ein Getränk für jeden Anlass”). Gerade im Einsatz mit ihrem Spieß und der Vorbildfunktion als Kompaniechef der MedEvac-Kompanie (selbst wenn es passiert ist, würde ich es nicht seitenweise ins Buch schreiben). Als dann die Geister und spirituellen Geschichten kurz vor Schluss in Neuseeland hochkommen, wurde es mir schon fast zu bunt. Wie sie im Buch beschreibt, wie sie andere Menschen nutzt / was andere Menschen alles für sie tun, ist mir suspekt. 

Der offene Brief am Ende, an alle Ärzte lässt mich nur noch den Kopf schütteln. Mein erster Gedanke war, sie klingt wie eine verbitterte ältere Frau, die gegen ihre Dämonen verloren hat.

Das andere Buch: Das ist auch euer Krieg (2011) ist kein eigenes Werk. Hauptsächlich ist es eine Zusammenfassung von Zuschriften, Briefen und Erfahrungen Dritter. Diese kurzen Briefe finde ich wirklich gut, nur stammen sie halt nicht von der Autorin, somit kann ich das schwer bei der endgültigen Bewertung mit einfließen lassen. Der schmale Anteil, den sie jedoch hatte, riecht wieder schwer nach “ICH”. Fernsehauftritte, Interviews, Spotlight usw. 

Leicht narzisstische Züge, ähnlich wie bei NARIMAN HAMMOUTI-REINKE – ICH DIENE DEUTSCHLAND lassen sich feststellen. Beim besten Willen, mehr als drei Sterne kann ich ihr nicht geben. 

3 / 5 Sterne

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